Von Michael Springer
Die Zukunft der Trabrennbahn Karlshorst und die umliegenden rund 37 Hektar Grundstücksflächen stehen auf dem Spielplan der Berliner Stadtplanung. In der Berliner Zeitung | 09.09.2024 wurde heute ein lesenswerter Beitrag von Maritta Adam-Tkalec veröffentlicht: „Trabrennbahn Karlshorst: „Hinter dem Rücken der Anwohner passiert Ungeheuerliches.“
Darin werden Interessenträger, wirtschaftlich interessierte Akteure und politische Akteure genannt, die allesamt vereint daran wirken, die bestehenden Ziele des Flächennutzungsplans zu verändern, um Bauen und Zinsgewinne zu realisieren.
Städtebaulich bedeutsames Stadtland ist in „Investorenhand“ gelangt, in einer Zeit, in der regierende Stadtpolitiker verabsäumt haben, Klauseln zum Planungswertausgleich in Grundstückskaufverträgen und Bauauflagen festzulegen. Es war eine Zeit, in der die Stadtplanung der dynamischen Realität noch ziel- und visionslos hinterherhinkte.
Kein Wunder, wenn Investoren anfingen, eigene Träume und Bauerwartungen zu entwickeln. Kein Wunder auch, wenn die Kommunalpolitik fast hilflos agiert, wenn ganze Bezirksverordnetenversammlungen „fast unsichtbar nach rechts gerückt werden, auf www.berlin.de, hinter das sogenannte „Hamburger Menu.“
Nun müssen Bürger selbst aktiv werden, medial, digital und mit Turnschuhen die fehlenden Kompetenzen der Kommunalpolitik ausgleichen, und eine echte Bürgerbeteiligung einfordern.
Berlin systemische Fehlentwicklungen in der Stadtplanung
In Berlin ist eine systemische Fehlentwicklung der Stadtentwicklung im Gang. Die Analysen dazu sind umfangreich, und sie hängen mit oligopolistischen Verzerrungen des Grundstücksmarktes zusammen. Dessen clevere und kollaborative Akteure sichern sich über politische Seilschaften, Share-Deal-Vereinbarungen und über landespolitische Seilschaften Informationsvorteile und kreditgetriebene Grundstückskäufe ab.
Heraus kommt eine klandestine Stadtentwicklungspolitik, die nicht mehr im Einklang mit der liberalen Wettbewerbsordnung der Europäischen Union steht. Stellenweise ist in Berlin auch nicht mehr die Rechtseinheit mit dem Baurecht der Bundesrepublik Deutschland gewahrt. Deutlich wird dies an einer politisch beliebten Formel von Politikern, vorwiegend sozialdemokratische Couleur: „Wir bauen …. !“ — Wobei handelnde Politiker vor allem Hinterzimmer- und nichtöffentliche Tätigkeit in Sitzungen in Beteiligungsausschüssen meinen. — Sie überschreiten dabei ihre Kompetenzen, die rechtlich bewußt gesetzten Checks & Balances und die Gewaltenteilungen in Genehmigungsverfahren.
Die Zahl EU-öffentlicher Ausschreibungen und Interessenbekundungsverfahren im Amtsblatt der Europäischen Union ist daher auch sehr überschaubar. „Parzellenweise Ausschreibungen“, das schafft zur Zeit nur die BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH, aber keine BVV. — Eigenkapital-Investoren und selbstnutzende Investoren sind daher in Berlin rar!
Aber es gibt auch andere, stille öffentlich-rechtliche Treiber, die eine sinnvolle gemischte und sozial austarierte Stadtenwicklung verhindern und Planen und Bauen verteuern:
- fehlende Planungssicherheit und fehlendes Genehmigungs-Tempo, dynamische Bauzaunkosten.
- unsichere Bauzeitfenster und damit unsichere Kreditierung.
- planbare aber zeitweise untragbare Kosten, wie Grundsteuern, Grunderwerbssteuer und dazu die Kosten der auf die Grundstücksfläche bezogenen Straßenreinigungs-Entgelte.
- Rückzug der öffentlichen Gewährsträger aus der Tätigkeit von Entwicklungsgesellschaften, die z.B. über Landesbürgschaften gemeinschaftlichen und genossenschaftlichen Erwerb und private Konzept-Investitionen absichern.
Dazu kommt eine spezielle Mischung von „Berliner Problemlagen“, die praktisch zu einer Begünstigung und Auslese von Großinvestoren hinführen. Berlin wird so mehr und mehr zur Investorenstadt. Die gute alte Bürgerstadt mit Einzelparzellen und Berliner Mischung der Gründerzeit Berlins, ist nach der dritten Erbfolge faktisch in Hand von institutionellen Investoren und anonymen Fonds übergegangen.
Verdummungs-Strategie „Wir Bauen!“ stoppen!
Die Berliner Stadtentwicklungspolitik muss aus den Fängen der unterschiedlichen „Think-and-Invest-Tanks“ befreit werden, die sich mal als Stiftung, mal als Verein oder als Bürgerforum tarnen können.
Der „stark und kreativ planende Staat“ ist gefragt, der die Wettbewerbsordnung der EU in Gang hält, der Planungen anstößt und vorantreibt, der Architekten und Stadtplanern und verantwortliche Bürger anregt und arbeiten lässt. — Dazu ein Bezirksamt, das die kommunale Planungshoheit ausgestaltet und mit Leben und Projekten füllt. — Und dazu politische Parteien, die die Stadtverwaltung in ihren Kernaufgaben fördern und unterstützen! Stadträume und Bauflächen strukturieren, bauliche Nutzungen vorplanen und „Baurechte schaffen“ und Grundstücke und Konzeptverfahren fair und offen ausschreiben und vergeben!
Die „Wir bauen-Politiker“ müssen in Berlin gestoppt werden! — Planen und Bauen muss auf offener Bühne und in Fachgremien und Fachverwaltungen organisiert werden. Es ist keine „Chefsache!“ Planen und Bauen müssen in den Parlamenten, in BVVen uns Amtsblättern und Lokalpressemedien sichtbar werden! Baupolitik in der Bürgerstadt ist eine Kernaufgabe staatlich-effektiver Rahmensetzung und Organisation.
Zudem: eine Reform der Bürgerbeteiligung, und die Initiierung proaktiver Nutzerbeteiligungen ist dringend geboten!
Kontakt: info@lichtenberg-nachrichten.de